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Mercedes-Benz O 340 und Mercedes-Benz O 350 Tourismo
20.01.2010 - 01:00

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Mercedes-Benz O 340 und Mercedes-Benz O 350 Tourismo
  • Ein erster Bus vom Bosporus: Der O 340 alias Tourismo in spe
  • Preiswerte Alternative zum O 404
  • Nachfolger O 350 mit noblem Unterbau
  • Tourismo meistverkaufter Reisebus Europas


Mercedes-Benz O 340 von 1992

Die Premiere erfolgt halb-inkognito auf der IAA 1992: Zwischen den zahlreichen Omnibussen mit Stern, angeführt vom noch jungen Top-Reisebus O 404, zeigen zwei Hochdecker die weltweite Präsenz der Omnibusse von Mercedes-Benz. Da wäre einerseits der O 371 brasilianischer Herkunft und der O 340 aus der Türkei. Während der Brasilianer mit einer Breite von 2,6 Metern und aus vielen anderen Gegebenheiten heraus nicht auf Europa übertragbar ist, so sieht das mit dem O 340 ganz anders aus: Mit ihm bereitet Mercedes-Benz den das Publikum auf einen preisgünstigen Reisebus vor, der den edlen neuen O 404 flankieren soll, der mit seiner Supertechnik in einer anderen Liga spielt, nicht zuletzt finanziell. In Europa sind Omnibusse aus der Türkei zu diesem Zeitpunkt neu, doch vor Ort hat man längst viel Erfahrung im Omnibusbau: Das Werk blickt auf eine Geschichte seit 1967 zurück, damals begann man mit der Fertigung des wenige Jahre zuvor präsentierten O 302.


Mercedes-Benz O 340 von 1992

Der O 340 ist ganz anders als seiner feiner Kollege O 404: Unter der schlichten und schmucklosen Karosserie steckt bestens bekannte Technik: das Fahrwerk des O 303 mit starren Achsen und Trommelbremsen, bewährt, robust und unverwüstlich. Auf Schmuck wie Facette, Blechpressteile und eine integrierte Klimaanlage, auf Korrosionsschutz im KTL-Tauchbad sowie einen aufwändig gestalteten Fahrerplatz – alles Bestandteile des O 404 – verzichtet Mercedes-Benz. Der Aufbau ist glattflächig, das Gesicht ein wenig anonym, nur der große Stern belegt die Markenzugehörigkeit. Andererseits besitzt der Bus unbestreitbare Vorzüge. Im Heck arbeitet geradewegs der aktuelle V8-Motor mit 280 kW (381 PS), den Innenraum erwärmt eine Warmwasserheizung mit Konvektoren – und der Preis liegt enorm günstig.


Mercedes-Benz O 340 - Fahrgastraum

Günstige Fertigung in der Türkei

Hinter dem Konzept stecken einerseits der Verzicht auf die Top-Technik und Top-Ausstattung des O 404, andererseits die günstige Fertigung in der Türkei. Von dort aus soll der Bus nicht nur auf den großen türkischen Omnibus-Fernlinien rollen, sondern auch neue Märkte erschließen, an die Mercedes-Benz mit teurer Fertigung in Deutschland nicht mehr herankommt. Dazu muss auch keine breite Palette her, ein Standard-Hochdecker mit zwölf Meter Länge, zwei Achsen und einer Höhe von 3,5 Meter genügt vollauf.


Mercedes-Benz O 340 - Fahrerplatz

Aus dem Gedankenspiel wird schnell Wirklichkeit: Der O 340 ergänzt alsbald den edlen O 404. Doch schon zwei Jahre nach dem ersten Messeauftritt ist klar: Der O 340 ist nur ein Vorbote. Denn auf der IAA 1994 steht mit dem O 350 bereits sein Nachfolger. Der tritt ganz anders auf: Die Technik des O 303 ist passé, der Unterbau des noblen O 404 hält Einzug, einschließlich der Scheibenbremsen rundum, der prächtigen Einzelradaufhängung an der Vorderachse und des Armaturenbretts.


Mercedes-Benz O 350 - Tourismo

Gepfeilte C-Säule und markantes Design

Jedoch präsentiert sich der Omnibus fast exaltiert. Das Design ist sehr emotional, unterscheidet sich deutlich vom schlichten Vorgänger oder dem eleganten O 404. Vor allem dank der gepfeilten C-Säule tritt er unverkennbar auf. Eine breite, längs durchlaufende Sicke strukturiert die Seitenwände, auf teure Blechpressteile wird verzichtet, die Klimaanlage thront oben auf dem Heck. Der Innenraum kommt schlicht-funktionell und ohne jede Extravaganz daher. Aber er enthält eine umfangreiche Ausstattung. Lange Listen mit Extras, zu dieser Zeit durchaus üblich, kennt der O 350 nicht. Auch ist er einzig in einer zwölf Meter langen Variante mit V8-Motor und 280 kW (381 PS) zu bekommen.


Der Nachfolger des O 340, der O 350/Tourismo, findet großen Anklang.

Vier Jahre nach seiner Premiere erhält der O 350, bisher nur als Hochdecker RHD zu bekommen, Zuwachs: Der O 350 SHD verstärkt das Angebot. Dieser Superhochdecker ist knapp 30 Zentimeter höher gewachsen, das bedeutet elf anstelle von 9,5 Meter Gepäckraum beim RHD. Und er trägt den Beinamen Tourismo. Ansonsten bleibt’s bei der erfreulichen Komplettausstattung.

Zum neuen Namen kommt ein Jahr später ein gründlich überarbeiteter Omnibus, der Tourismo startet in die zweite Lebenshälfte. Das Buchstaben- und Zahlenkürzel O 350 ist verschwunden. Der prägnante Pfeil ist jetzt mit einer Blende optisch bis in die Vordertür gezogen. Das neue Gesicht mit markanter Blende in der Mitte und Rundscheinwerfern strahlt kraftvoller, der Fahrer blickt in größere Außenspiegel. Der Innenraum ist komplett neu gestaltet: Mandelförmige, dimmbare Multifunktionsleuchten in der Decke anstelle der bisherigen Leuchtenbänder geben dem Tourismo ein ganz eigenes Gepräge. Hinzu kommen neue Service-Sets und Sitze der neuesten Generation. Den Tourismo gibt es unverändert als RHD und SSHD mit Komplettausstattung allein aus türkischer Fertigung.


Mercedes Tourismo - Kess räkelt sich die C-Säule des Tourismo an der Flanke empor.

Weitere fünf Jahre später feiert der Tourismo zum zehnten Mal seinen Geburtstag und ein sehr seltenes Jubiläum für einen Reisebus: Er rollt inzwischen in 10.000 Exemplaren auf den Straßen, hat sich längst zum meistverkauften Reisebus Europas entwickelt. Mercedes-Benz feiert den Erfolg des Tourismo mit der Sonderserie "Edition 10.000". Dahinter verbergen sich 70 Tourismo RHD mit besonders aufwändiger Ausstattung.


Insgesamt 70 besonders aufwändig ausgestattet Tourismo RHD legte Mercedes als die Sonderserie Edition 10 000 auf.

Technik optimiert, Gewicht reduziert

Parallel dazu erhält der Tourismo auch technisch einen neuen Schub. Ein neues mechanisches Sechsganggetriebe hält Einzug, eine Hinterachse vom Travego, dem Nachfolger des O 404, der weiterhin die Plattform des Tourismo bildet. Auch werden im Fahrgastraum die Handgepäckablagen von den Komponenten der Klimaanlage befreit. Für Dauerhaltbarkeit spricht eine Korrosionsschutzbehandlung im KTL-Tauchbad, das neu eingerichtet worden ist.

Mindestens genauso wichtig ist eine Gewichtsreduzierung. Zählte der Tourismo bisher schon nicht zur der Schwergewichten, so senken die Ingenieure sein Gewicht zum Modelljahr 2005 gleich um eine halbe Tonne ab. Aluminium findet als Werkstoff für Luftkessel und Tank Verwendung, ebenso in Form einer Sandwichkonstruktion für den Boden des Gepäckraums anstelle von Sperrholz. Verglasung und Räder werden erleichtert, die Schlafkabine für den Fahrer ist vorbereitet statt komplett eingebaut.


Mercedes Tourismo RHD - Kräftige Farben dominieren im Innenraum

Die wandseitigen Armlehnen entfallen genauso wie die Abfallbehälter pro Sitzreihe; selbst die Klapptische werden leichter ausgeführt. Im Ergebnis können Busunternehmer den Tourismo mit bestem Gewissen in einer Drei-Sterne-Bestuhlung mit 49 Fahrgastplätzen ordern – bei zwölf Meter langen Reisehochdeckern mit zwei Achsen müssen viele andere dagegen Furcht vor Wiegeaktionen haben. Mit diesen Vorteilen qualifiziert sich der Tourismo als echter Dauerbrenner und praxisgerechter Reisebus. Obwohl er nicht dessen unerschöpfliche Programmvielfalt kennt, erinnert er damit ein ganzes Stück weit an den Klassiker O 303.


Mercedes Tourismo RHD - Das Cockpit des Tourismo lässt keine Wünsche offen.


Technische Daten - Mercedes-Benz O 340 (Typenblatt)

Fotos und Text:
Daimler AG


admin


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