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Mercedes O 404 *
01.07.2008 - 00:00

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Mercedes O 404
  • 1991 löste der hochmoderne O 404 den Weltbestseller O 303 ab
  • Raffiniert in Form und Technik
  • Konzentration aufs Reisesegment
  • Erstmals Scheibenbremsen an allen Achsen


Mit dem neuen O 404 präsentierte Mercedes-Benz am 27. August 1991 in Sindelfingen einen Reisebus, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Technisch und optisch brach der neue O 404 völlig mit dem Vorgänger O 303, der nun nach einer 17-jährigen und äußerst erfolgreichen Karriere abtrat.

Eine Silhouette von Format

Da wäre beim O 404 zum Beispiel ein völlig neues Gesicht mit angeschrägten Scheinwerfern, die seitlich in die Blinker übergehen. Eine Plakette verbindet die Scheinwerfer, sie ragt unten leicht in den Stoßfänger hinein und löst damit die strengen Formen des Vorgängers auf. Die große und steile Frontscheibe geht harmonisch ins Dach über, da der Frischlufteinlass für die Dachbelüftung nach hinten verlegt worden ist. Das Dach ist vorne leicht abgesenkt, ein Stilmerkmal des Vorgängers, wenn auch jetzt ohne sichtbare Stufe umgesetzt.


Mercedes-Benz O 404, 1991

Auch die Flanken des Reisebusses haben ein völlig neues Erscheinungsbild. Das erste Seitenfenster ist nach unten gezogen, die Fensterstege sind fast unsichtbar geworden. Weiterhin jedoch wölben sich die Seitenfenster oben leicht ins Dach hinein. Zu den Besonderheiten des Reisebusses gehört seine Verblechung mit Tiefziehteilen, notwendig durch den „optischen Trick der „Facette". Sie verleiht den Seitenwänden eine Struktur und nimmt ihnen die Flächigkeit. Die großen Gepäckraumklappen öffnen bei den gehobenen Varianten parallelogrammförmig nach oben. Der gesamte Aufbau ist auf große Dauerhaftigkeit ausgelegt: Eine kataphoretische Tauchlackierung schützt Gerippe und Verblechung zuverlässig vor Korrosion.

Doppeldecker erschließen neue Dimension

Das Programm ist im Vergleich zum Vorgänger deutlich gestrafft und konzentriert sich mehr denn je auf den Einsatz als Reisebus. Zur Verfügung steht der O 404 in den drei Längen 9,2, 10,7 und 12,0 Meter sowie in den drei Höhen 3,3 Meter (RH), 3,5 (RHD) und 3,75 Meter (SHD). Damit deckt der O 404 alle wesentlichen Einsätze als Reisebus vom Ausflug bis zur Fernreise ab, ist ebenfalls als Kombi einsetzbar, insgesamt jedoch klar höher positioniert als sein Vorgänger O 303.


O 404 für den Gelegenheitsverkehr und Liniendienst, 1994

Dies zeigt auch ein weiteres Modell, mit dem Mercedes-Benz prüft, ob man eine weitere Dimension des Reisens für die Marke erschließen kann: Auf der IAA 1992 steht der neue O 404 auch in einer Variante als Doppeldecker. Den Aufbau hat der Heilbronner Karosseriespezialist Drögmöller im Auftrag von Mercedes-Benz gefertigt, da die Produktionsanlagen im Werk Mannheim Anfang der neunziger Jahre Fahrzeuge dieser Größenordnung nicht zulassen. Jedoch ist die Resonanz auf einen Doppeldecker von Mercedes-Benz überschaubar, es bleibt bei dem Prototyp.


Mercedes-Benz O 404 DD, Prototyp, 1992

Unter dem fein gestalteten Blech des Mercedes-Benz O 404 ist ebenfalls alles neu. Die Tauchlackierung, die jedes Gerippe erhält und die Ausstattung. Die drei Ausstattungsklassen Komfort, Luxus und Superluxus entsprechen unterschiedlichen Einsätzen. Luxuriös ist auf jeden Fall das Heizungskonzept, einzigartig in der Branche: Die Ingenieure setzen auf die Abstrahlwärme von Boden und Seitenwände bis hin zu einer temperierten Fensterbrüstung zugunsten eines gleichmäßigen und zugfreien Raumklimas und großer Behaglichkeit, die Zeiten der Gebläseheizungen sind im Reisebus vorbei.



Fahrerarbeitsplatz vom Feinsten

Der Fahrer nimmt in einem komplett neu gestalteten Cockpit Platz. Passé ist das altbekannte Kombiinstrument aus dem O 303 und dessen Vorläufern, jetzt fächern sich die Instrumente einschließlich der Zusatzanzeigen einzeln unter einer Glasabdeckung auf. Zahlreiche Ablagen nehmen allerhand Kleinkram auf, der Kühlschrank hat seinen Platz unten in der Mittelkonsole gefunden. Eine Fahrertür zählt zum Serienumfang, den auch Details wie ein elektrisch verstellbarer Innenspiegel aufwerten.

Enorm aufwändig ist auch das Fahrwerk ausgearbeitet: Es hat lange gedauert, bis in einem Omnibus von Mercedes-Benz eine Einzelradaufhängung zu Einsatz kommt, aber das Warten hat sich gelohnt: Die Konstruktion entspricht im Prinzip den Raumlenkerachsen aus den Pkw mit Stern. Und das bedeutet eine Kombination von höchster Fahrsicherheit mit großem Komfort.


Fahrkomfort und Sicherheit auf Pkw-Niveau

Hinzu kommt ein enorm großer Radeinschlag von maximal 56 Grad mit einem entsprechend kleinen Wendekreis - der O 404 fährt sich erstaunlich handlich. Antiblockiersystem und Antriebsschlupfregelung gehören ebenso zur Serie wie eine Motorbremse mit Konstantdrossel und der Retarder. Mit Ausnahme der Ausstattungsvariante Komfort verfügen sämtliche O 404 über Scheibenbremsen rundum.
Im Heck des Mercedes-Benz O 404 sitzt eine neue Generation von Triebwerken. V6- und V8-Motoren bestreichen eine enorm breite Spanne von 151 kW (205 PS) bis 370 kW (503 PS). Wobei die stärkste Maschine dem Doppeldecker vorbehalten ist, der im Stadium des Prototyps verharrt. Sämtliche Motoren entspringen der LEV-Familie des Hauses (LEV = Low Emission Vehicle) und genügen bereits den ab 1993 geltenden Abgasvorschriften. Den Schwerpunkt der Motorisierung übernehmen die V6-Motoren, deren Spanne bis 250 kW (340 PS) reicht - in den Anfangsjahren des O 404 eine adäquate Motorisierung auch für Fernreise-Hochdecker. Die Kraftübertragung übernehmen neu entwickelte hauseigene Sechsgang-Schaltgetriebe.


O 404 im Reisedienst, 1994

Vom technischen Aufwand her ist der Mercedes-Benz O 404 eigentlich kein Omnibus mehr, er entspricht eher einer riesigen Großraumlimousine mit viel Nähe zum Pkw. Dies wird sich zeitlebens zu einem Handicap entwickeln, die Serienfertigung kommt aufgrund der aufwändigen Konstruktion nur recht schwer in Gang (der O 303 läuft bis Mitte des Jahres 1992), mit seiner hochfeinen und weit entwickelten Technik zielt der O 404 überdies in andere Marktsegmente als sein Vorgänger O 303 - dessen Popularität er deshalb nicht erreichen kann, obwohl Mercedes-Benz den edlen Reisebus mit mehreren Schachzügen dem Publikumsinteresse anpasst.



Konsequente Modellpflege

Das Thema Trommelbremsen ist schon beim Serienanlauf des O 404 passé, schon zu diesem Zeitpunkt bremsen alle Busse mit den sicheren Scheibenbremsen. Ebenso wird bis zum Serienanlauf das allzu opulent ausgebreitete Motorenprogramm zusammengestrichen: 290 PS, 340 PS und ein V8 mit 381 PS. Zeichnen sich die LEV-Motoren nach Abgasstandard Euro 1 nicht gerade durch Sparsamkeit aus, so ändert sich dies nach wenigen Jahren mit Euro 2. Dann orgeln auch wieder voluminöse V8-Motoren mit 14,6 Liter Hubraum im Heck, wie Omnibusspezialisten sie schätzen - der anfänglich verwendete kompakte V8 mit 12,8 Liter traf nicht ins Schwarze.

Es ändert sich noch viel mehr am O 404: Das Zusatzmodell Advantage mit reduzierter Ausstattung rückt den Omnibus preislich ein Stück nach unten. Neue und größere Außenspiegel, gerippte Vorbaublende statt Platte aus Edelstahl, Blinker in Weiß statt Orange - etwa ab Mitte der neunziger Jahre erreicht der O 404 technisch und optisch seine Bestform. Sie hält bis 1999, dann startet der ganz anders geartete Nachfolger Mercedes-Benz Travego. Vorher jedoch flankiert Mercedes-Benz geschickt den O 404 und tritt damit unbewusst eine ganze Lawine los: O 340 und O 350, später Tourismo heißen günstige Hochdecker türkischer Herkunft, die eine neue Ära einläuten.


DFB-Mannschaftsbus O 404, 1997



Technische Daten siehe Typenblatt

Fotos und Text:
Daimler AG
Video-Clips:
Daimler AG


admin


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