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  Alternative Antriebe in Omnibussen der Daimler AG – Teil II
Sonstiges   Alternative Antriebe in Omnibussen der Daimler AG – Teil II
30.12.2008 von admin


Im Vorfeld der Olympiade: Erste Versuche mit Erdgas finden 1971 statt

Im Vorfeld der Olympiade 1972 liefern sich die Nutzfahrzeughersteller ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Antriebe, deren Wirksamkeit vorerst allerdings noch gar nicht einwandfrei erwiesen ist. „Wir beziehen uns auf die in letzter Zeit veröffentlichten Artikel über eine MAN-Entwicklung mit Erdgasmotoren“, heißt es in einem Brief der Nutzfahrzeug- und Motorenentwickler Rubi, Hartmann und Müller-Berner an den Daimler-Benz Entwicklungsleiter Hans Scherenberg vom 23. Juli 1971. „Es wird über eine neue, von MAN vorgeschlagene Entwicklung mit verflüssigtem Erdgas für Fahrzeugantriebe berichtet.“

Aus einem Telefonat mit der MAN-Entwicklungsabteilung erfahren die Ingenieure, dass die Angabe einer Reduktion der Stickoxidemissionen um bis zu 80 Prozent aus amerikanischen Publikationen stammt. „Im Gegensatz zu MAN, die bisher noch keine Versuche durchgeführt haben, läuft bei uns bereits seit einigen Wochen ein Gasmotor mit komprimiertem Erdgas auf dem Prüfstand. Es ist uns bisher noch nicht gelungen, die gegenüber dem Benzin-Ottomotor sehr viel günstigeren Abgaswerte eines vergleichbaren Dieselmotors zu unterbieten.“

Nur sechs Tage später kommt es zu einem Treffen mit zwei Vertretern der Münchener Stadtverwaltung, nachdem wiederum durch die Presse bekannt geworden war, dass die dortigen Verkehrsbetriebe bereits angefangen haben, einige Fahrzeuge auf Flüssiggas-Antrieb (Propan-Butan-Mischung) umzurüsten. „Der Betrieb mit Propan/Butan wird von München nur als Übergangslösung angesehen und soll mittelfristig durch verflüssigtes Erdgas abgelöst werden“, hält ein interner Aktenvermerk das Ergebnis der Besprechung fest.

Am 26. November schlägt schließlich die Presseabteilung vor, mit dem Mercedes-Benz Erdgasbus an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem wiederum in Zeitungen und im Fernsehen von bevorstehenden Versuchen bei MAN und einem Flüssiggas-Tankfahrzeug berichtet worden war, das für die Propan-Butan-Busse den Treibstoff liefern soll. Einem „kleinen Kreis von 10 bis 15 Nutzfahrzeug-Journalisten“ soll der Erdgasbus vorgestellt und anschließend den Fernsehkameras vorgeführt werden. Denn schließlich sei Daimler-Benz „zur Zeit noch die einzige Firma, die mit einem fahrbereiten Erdgasbus sofort an die Öffentlichkeit treten kann“.


Versuchsomnibus aus dem Jahr 1971: Der Mercedes-Benz OG 305 nutzt Erdgas als Treibstoff für seinen Sechszylinder-Ottomotor. Das Emissionsverhalten ist vorzüglich.

Ruß- und Reizstofffrei: der Erdgasbus OG 305

Eine Pressemitteilung vom 31. Mai 1972 beschreibt den ersten erdgasgetriebenen Bus wie folgt: „Dieser Erdgas-Bus hat den Vorteil einer geräusch- und geruchsarmen Verbrennung, und die Abgasemissionen sind nahezu reizstoff- und rußfrei. Allerdings verlangt diese umweltfreundliche Auslegung einige Konzessionen. Da das Erdgas nur in flüssiger Form im Fahrzeug mitgeführt werden kann, mussten dafür wärmeisolierende Behälter entwickelt werden, die eine Lagertemperatur des Erdgases bei –162° C gestatten. Im OG 305 sind sie unterflur angeordnet und bringen natürlich eine beträchtliche Erhöhung des Gewichtes mit sich.“

286 Liter Erdgas fassen die vier Isoliertanks des Unternehmens Linde, die für eine Reichweite von 400 Kilometern ausreichen. Je nach Druckzustand geben die Behälter das Erdgas in flüssigem oder gasförmigem Aggregatzustand ab. Für den Fall, dass der Druck einmal über 4,2 bar ansteigt, blasen zwei Überdruckventile das Gas ins Freie. Die TÜV-geprüfte Anlage ist ohne Einschränkungen für den Straßenverkehr zugelassen. Der Motor ist auf Fremdzündung angewiesen. Es handelt sich um einen modifizierten Sechszylinder des Typs M 407 hG mit einer Verdichtung von 1:11, einer Leistung von 172 PS und einem maximalen Drehmoment von 677 Nm.

Zu den Abgaswerten bemerkt die Pressemitteilung im Einzelnen: „Heute unterschreitet der Mercedes-Benz Erdgasmotor den Grenzwert für Kohlenwasserstoffe und Stickoxide um mehr als 20 % und weist nur noch ein Zwölftel des zulässigen Kohlenmonoxidgases auf. Da Erdgas keine Blei- und Schwefelverbindungen hat, können bei diesem Motor auch keine derartigen Schadstoffabsonderungen entstehen. Der Preis für diese Vorteile steht jedoch mit höheren Betriebskosten zu Buch.“ Auch Hans Scherenberg gelangt 1977 zu einer eher skeptischen Einschätzung: „Da Erdgas in unserem Land nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, erscheint eine Realisierung dieser Antriebsart hier wenig praktikabel. Für andere Länder kann sie jedoch sehr interessant sein.“


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