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  Die erste Omnibus-Baureihe der Welt von Daimler
Geschichte   Die erste Omnibus-Baureihe der Welt von Daimler
11.09.2008 von admin


Ein erster Doppeldecker für London

Doch stellt die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) zuvor schon unter Beweis, dass es auch gefälliger geht. Denn bereits im April 1898 liefert das Unternehmen im Auftrag der Motor Car Company einen wesentlich eleganteren Doppeldecker nach England. Die Räder sind kleiner und breiter. Vorn thront der Fahrer unmittelbar über dem 12 PS-Aggregat (8,8 kW). Zwölf Fahrgäste finden im Inneren der geschlossenen Kabine Platz, weitere acht auf der offenen oberen Plattform. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 12 mph (18 km/h).

Ein Zeitungsbericht beschreibt die Jungfernfahrt am 23. April vom Hafenstädtchen Gravesend in die Londoner City: „Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind in Long Acre und entlang des Piccadilly blieb stehen und starrte auf das Fahrzeug, als es vorbeidonnerte und seinen Weg stetig und entschlossen verfolgte.“ Und weiter: „Man muss die Wirkung eines Dreitonnen-Fahrzeugs, das sich seinen Weg durch den starken Westend-Verkehr mit dieser Geschwindigkeit bahnt, erlebt haben, um sich eine Vorstellung machen zu können, aber diese Vorstellung ist so intensiv wie die Begleitumstände eindrucksvoll sind.“

Wahrscheinlich ist es der Erfolg dieses frühen Doppeldeckers, der Daimler veranlasst, bereits im Mai ein komplettes Omnibusprogramm anzubieten.


Daimler-Doppelstockomnibus mit bis zu 16 Sitzplätzen, aus dem Jahre 1898.

Maximal mögliche Teilegleichheit mit dem Lkw

„Der Daimler-Motor-Omnibus kommt in verschiedenen Größen zur Ausführung, und werden dieselben je nach den vorhandenen örtlichen Verhältnissen mit Motoren verschiedener Stärke ausgerüstet. Für ebene Wege genügen die schwächeren Motoren, wogegen bei Strecken, auf welchen Steigungen vorkommen, die Wagen mit den stärkeren Motoren ausgerüstet sein müssen.“ Mit diesen Worten beschreibt die Daimler-Motoren-Gesellschaft 1898 ihr neuartiges Gefährt und lobt besonders den Motor: „Die Triebkraft liefert der neue Daimler-Motor ‚Phoenix’, dessen für Fahrzeugantrieb besonders berechnete, zweckmäßige Konstruktion in jeder Hinsicht unerreicht ist.“

Gottlieb Daimlers Geniestreich besteht darin, für den gemeinsam mit Wilhelm Maybach entwickelten Benzinmotor ständig neue Anwendungen zu finden. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Die Fahrgestelle, die vier Motoren von 4 bis 10 PS (2,9 bis 7,4 kW), die Glührohrzündung, das drei- bis viergängige Zahnradgetriebe und der Ritzelantrieb entsprechen genauestens der damaligen zweiten Generation der Daimler-Lkw.

Das kleinste Omnibus-Modell ist für sechs Passagiere und 200 Kilogramm Gepäck ausgelegt, der größte Bus nimmt 14 bis 16 Fahrgäste und 450 Kilo Gepäck auf. Zwischen vier und 16 km/h bewegt sich die Reisegeschwindigkeit, bei ausreichender Motorisierung bewältigt der Bus Steigungen bis zwölf Prozent. Das Leergewicht beträgt in der leichtesten Variante 1,1 Tonnen, das schwerste Fahrzeug bringt 2,5 Tonnen auf die Waage. Der Nettopreis für den Sechssitzer beläuft sich auf 6800 Mark, die größeren Modelle kosten jeweils 8000, 9200 und 10 500 Mark.

Nicht eingerechnet ist dabei eine ebenso einfache wie effektive Beheizung für Fahrersitz und Fahrgastraum, die das Kühlwasser des Motors unter dem Fußboden zirkulieren lässt. Sie schlägt je nach Modell mit 180 bis 260 Mark zu Buche. Ebenfalls nur gegen einen Aufpreis von 500 bis 600 Mark sind Gummireifen zu haben, „doch empfehlen sich solche nur bei den kleineren Wagen“. Bei den beiden schwereren Modellen mit mehr als zwei Tonnen Leergewicht rät Daimler zu gewöhnlichen, eisenbeschlagenen Holzrädern.

„Die Motorfahrzeuge können binnen 3 Minuten in Betrieb gesetzt werden“, verkündet der Prospekt weiter. Zu den Angaben, die damals noch eine Notiz wert sind, gehört das spezifische Gewicht des Benzins sowie ein Verbrauch von 0,36 bis 0,45 Kilogramm pro Stunde und PS bei Volllast, was bei der angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h rein rechnerisch einen Verbrauch von etwa zwanzig bis dreißig Liter auf 100 Kilometer ergibt. Da damals solche Vergleichswerte noch den wenigsten geläufig gewesen sein dürften, wird den Kunden freilich die Angabe der Treibstoffkosten von zehn Pfennig pro PS und Kilometer wichtiger gewesen sein.

In jeder Hinsicht ist die DMG bemüht, die Betriebssicherheit hervorzuheben: Der für zehn Stunden Fahrtzeit dimensionierte Tank befinde sich „in geschützter Lage unter dem Wagen“, heißt es, und die Wasserkühlung sei auch im Winter „in absolut sicherer Weise“ funktionstüchtig. Der Hersteller betont, dass der Schaltvorgang sich „in ganz sichernder Weise vollzieht“ und die Fußbremse das Fahrzeug „schnell und sicher zum Stillstand“ bringe. Bei solchen Beteuerungen allein lässt es das Unternehmen indes nicht bewenden und gewährt auf alle Teile eine dreimonatige Garantie.


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